27.07.2013 Bad Liebenstein

Ein Doublewhopper. Ein volles Wochenende. Vorgeschichten:

Erste Band des geplanten Abends ist Shades Of Purple, eine Tina-Turner-Coverband, mit der wir schon öfter zusammengespielt haben. Einen Tag vor der Veranstaltung erscheint fraglich, ob Sänger Klaus auftreten kann, weil er erkältet und heiser ist. Noch heiser als ein Festzelt in der Sonne. Er gurgelt den ganzen Tach irgendwelche Essenzen, erfahre ich.

Micha Fleischmann, Bassist bei Shades Of Purple, macht vorsichtshalber alles klar mit seiner anderen Band Klappstuhl, damit diese einspringen können. Am Veranstaltungs-Sonnabend wird dann klar, daß Klaus singen kann, aber nicht den vollen Set. Der Veranstalter möchte daraufhin, daß Klappstuhl zusätzlich spielen um die Lücke zu füllen. Daher plötzlich drei Bands statt zwei.

Bergrennen des ADAC. Noch nie war ein Veranstalter uns namentlich so nah. Nur ein paar Buchstaben zu tauschen. So wie bei Michas T-Shirt – da steht „Rostocker“ drauf. Dabei ist er ein Ostrocker. Und wenn man bei ADAC nur 4 Buchstaben austauscht, heißt es BIER.

Jetzt aber. Zunächst wird für den Sonnabend nur der Volvo gepfropft. Wir treffen uns 15:30. Die Gitarrenarmada liest noch zwei Mädels in Erfurt auf und wird deswegen vom Transport weitgehend freigesprochen. Die Beschallung haben wir separat gebucht und müssen unsere nicht mitnehmen. Folglich fahren Robin, F und ich mit dem Volvo die Backline. Dahinein kommt also ein Schlagzeugset, welches größer als das des Friseurs ist (mehr Becken und ein Tom mehr), zwei Marshal-Boxen, ein Gitarren-Amp, Bass und Restkram wie Koffer, Backdrop, Bühnenklamotten, Robin, Gitarrenständer, der spärliche Platzrest wird mit Getränken gefüllt (was sich später als fatales Defizit erweisen soll…). Und F und ich. Selbst so haben wir die Situation, daß wir irgendwie die Tür nicht zukriegen, da wo Robin sitzt. Mit Schwung geht’s doch. Wir müssen sie nochmal wieder aufmachen damit er sich anschnallen kann – wenn sie zu ist kann er sich nicht bewegen. Dann geht’s endlich los.

Meine Mitfahrer haben sich Kaltgetränke aus dem Proberaum-Kühlschrank mitgenommen. Aber es gilt bei uns die eherne Regel, daß nicht etwa einfach drauflosgesoffen wird, sobald der Fahrer das Fahrzeug startet, was ihr vielleicht so machen würdet. Nein. Bei uns gilt – das erste Bier wird erst geöffnet, nachdem eine erste Brücke überquert wurde. Ja, liebe Freunde. Das ist es, was den Genießer oder zurückhaltenden Biersommelier vom haltlosen Säufer unterscheidet. Die eiserne Beherrschung. Meine beiden Mitfahrer freuen sich, daß nach 1,8 km Fahrt in Stadtroda die erste, sehnlich erwartete Brücke überquert wird. Rechts neben und hinter mir zischt es vertraut.

Kurz vor Jena fragt der F ob wir denn die Glocke eingepackt haben? Wir grübeln gemeinsam und kommen zu dem Schluss – nein haben wir nicht. Haben wir vergessen. Wir lenken also um und fahren nochmal nach Hause. Dort angekommen ergibt sich zuerst die Gelegenheit für meine Mitfahrer, die inzwischen geleerten Bierhülsen gegen neue, kalte, volle zu tauschen. Dann laden wir die Glocke zu. Die Glocke ist bei uns in einer kleinen schwarzen Plasteschachtel zusammen mit der Kanone, der Miez und dem Kickerhahn. Sie heißt Sämmblor und passt gerade noch in eine Falte des Autos rein.

Erneut fahren wir los. Und siehe – diesmal erfolgreich. Die Fahrt ist eine heiße. Wir sollen in einem Festzelt spielen. Das lässt furchtbare Vorahnungen aufkommen, vermischt mit den Erinnerungen an Gispersleben, wo wir in einem vergleichbaren Höllensommer in einem Festzelt spielten – mit SCHWARZEN Dachplanen. (Steht irgendwo im Tagebuch). Das war der Auftritt, bei dem unser Harfenspieler geschmolzen ist. Das zur häufig gestellten Frage warum wir keinen haben.
Bei der Anfahrt gibt es noch das Problem, daß dieses ACDC Bergrennen doch tatsächlich auf der regulären Landstraße stattfindet. In Tabarz holen wir das Fahrzeug mit Jochen und Ächzen mit Steffen und Stöhnen ein. Sie biegen irgendwann vor uns vom rechten Weg rechts ab. Wir zum Beispiel nehmen die Umleitung und kommen irgendwann am Festzelt in Bad Liebenstein an. Stochen und Jeffen eine halbe Stunde später dann auch.
Die Technik ist fertig aufgebaut, Shades Of Purple beginnen gerade mit dem Soundcheck. Es ist 17:45 Uhr. Das Zelt glüht. Die Frisur hält. Aber wir fühlen uns wie fünf vertrocknete Stücken Schlacke. Und jetzt kommts – uns wird das Bier verweigert! Die Thekencrew besteht aus zwei Jüngelchen, die nichts dafür können wollen und ergießt sich in Ausflüchten. Wir bekommen ein paar Flaschen Cola und Wasser. Das ist ja ok – aber ihr wisst schon. Letztendlich machen wir den Aufbau und Check mit Cola und Wasser. Der Veranstalter lässt sich nicht blicken, ruft aber kurz an und verschiebt alle Auftrittszeiten noch ne Stunde nach hinten. Wir sitzen in der Hitze, warten, quatschen dummes Zeug, warten. Die Temperatur muss um 35°C liegen. Ohne Bier. 20:00 Uhr bequemt man sich endlich, eine Zapfanlage in Betrieb zu nehmen. Die ersten Gläser, die an die durstige Meute aus zwei Bands und Technikern ausgegeben werden, sind selbstverständlich sofort leer. Bereits auf dem Weg verdunstet. Aber die verkrampfte Stimmung löst sich sofort. (Es ist möglich, daß das ein rein subjektiver Eindruck nur aus mir drin ist. Mit dem Verkrampfen. Und dem Lösen.)
Das nächste Problem entsteht weil wir so langsam RICHTIG Hunger haben. Man teilt uns mit, es könne passieren, es käme noch ne Gulaschkanone und ein Bratwurstrost, aber wann und ob überhaupt und wenn ja dann wieviel wisse keiner. Wir laufen los in den Ort hinein und ersuchen einen Dönerladen. Wir haben noch keine Gage und die Herren Musiker stecken natürlich keinen müden Cent ein. Den man normalerweise als Musikant auch weder braucht noch hat. Also muss ich den Essenkram bezahlen. Der F winkt dem Dönermann zu, zeigt auf mich und sagt „Mein Papi bezahlt.“ Der Dönerkoch reagiert vollkommen richtig und antwortet: „Nu – aber wieso is papi jünger wie du?“ Der F grummelt sehr sehr und ärgert sich weil er älter aussieht als ich. Dabei hat der Dönerkoch lediglich eine Formel befolgt, die in Deutschland unbekannt ist. Hofiere denen, die die Kohle haben, und es wird Dir besser gehen. Ganz einfach. Zurück im Sauna-Zelt rückt die Startzeit von Shades Of Purple näher.

Langsam füllt sich der Laden, wodurch es auch nicht mehr ganz so kalt wirkt. Shades Of Purple sollen um 21:45 Uhr auf die Bühne, aber da hat der Schlagzeuger, der arme Kerl, gerade seine erste Suppe aus der dann tatsächlich doch noch eingetroffenen Gulaschkanone bekommen. Die Purpler sind ebenfalls total ausgehungert, sei’s drum. Kurz vor zehn geht’s los. Und kuck, richtig richtig gut. Klaus singt vollkommen souverän. Auch wenn er mir hinterher erzählt wo’s überall geklemmt haben soll – gehört hat das keiner. Ein vollkommen korrektes Child In Time (deutsch: „Pünktliches Kind“), mit allen Höhenlagen, wie sie von Ian Gillan leider schon sehr lange nicht mehr geschafft werden. Der Sound ist ok, die Band ist gut, für meinen Geschmack noch deutlich besser als bei unserem letzten gemeinsamen Auftritt, der aber schon Jahre zurückliegt. Leider fliegen etliche schöne Purple-Stücke aus dem Programm, wegen der Kürzung. Ich hatte mich so auf Fireball gefreut. Aber der Applaus der sich Sammelnden ist immer großartig. Trotzdem fällt es der Band schwer, das Publikum nach vorn zu bewegen. Das gelingt so richtig erst beim abschließenden Smoke On The Water. Allerdings ist das bei dieser Uhrzeit und dieser Hitze vollkommen normal. Die Band hätte trotzdem mehr Feedback verdient. Vom Rand des Zeltes beobachte ich wie Wolfgang seine Hammondorgel malträdiert mit dem finalen Solo, mit dem Ellenbogen quält, hin und her rüttelt, hochhebt, runterschmeißt. Auf Anfrage erklärt er – die hält das aus. Keith Emerson hätte sich damals auf die Tastatur gestellt. Ohne Schaden. Für beide.

Zweite Band des Abends – Klappstuhl. Habe ich noch nie vorher gesehen. Schändlich! Dieter Georgi und seine zwei Spießgesellen haben die Tanzfläche mit knackigem Bluesrock schneller im Griff als Shades Of Purlple. Kann an der zunehmenden Füllung des Zeltes liegen, an der abnehmenden Hitze oder an der leichteren Zugänglichkeit des Materials. Das ist dann doch eher Pub-Rock als die vielschichtige und ausgefeilte Purple-Musik. Trifft dann auch eher den Nerv der vielen AC/DC-Shirt-Träger. Und lauter Profis auf der Bühne – trotz einer zusätzlichen Band und Verzögerung des ganzen Ablaufs bekommen wir einen 1,5-Stunden-Set. Weil die Spielzeiten eingehalten werden und der Umbau flott geht. So macht das Spaß.

Wir ham dann noch gespielt, dann eingepackt und sind nach Hause gefahren.