Seeehr entspannend. Die schönste Mugge ist doch die, zu der man zu Fuß gehen kann.
Die Limited Booze Boys, eine befreundete Band – wenn man das vergleichen will so in etwa unser bester Kumpel – feiert 10-jährigen Geburtstag. Oh Mann, da gibt es die ja schon länger als uns! Ich weiß noch genau, wie sie angefangen haben. Wir selber haben alle noch in anderen Bands gespielt – Crayfish war noch nicht. Lucky Punch, Second Floor, Jugendblasorchester Tröbnitz und einige mehr. Da hat sich dieser anfängliche Chaotenhaufen formiert. Sie wollten von Anfang an eigene Musik machen. Klar waren immer etliche Cover dabei, das ist hilfreich, um sich aufeinander einzuspielen. Aber von Anfang an waren da eigene Ideen. Ich ordne das jetzt mal keck ein zwischen Motörhead, Onkelz, Sex Pistols, Ramones und Stadtroda. So als grobe Umschreibung des Sounds. Stop. Ich verfasse jetzt hier keinen Abriss der Booze-Boys-History aus meiner Sicht. Ich mache das sehr gerne, wenn es jemand lesen will (falls ich mich noch an was erinnere). E-Mail an mich und ich machs. Zurück zum Tagebuch.
Wir treffen uns am Abend so spät wie nie vorm Proberaum. Es ist echt schon dunkel. Wir müssen kaum was mitnehmen, weil uns die Booze Boys die großen schweren Sachen leihweise zur Verfügung stellen. Die nötigen Kleinteile werden in das Auto der Schönes gepackt. Und der F, Doro und ich laufen mit unseren Koffern los in die Nacht- juhuu. Doro hat keinen Koffer. Der Frisör kommt später nach.
Der Fußweg ist etwa 15 Minuten. Vom Proberaum über den Radweg durch den Wald bis zur Veranstaltungshalle. Genial. Wir treffen ein auf einer sehr herzlichen und angenehmen Party. Die Booze Boys nehmen keinerlei Eintritt und bezahlen alles selber. Von überallher sind befreundete Bikerclubs angereist, die mitfeiern. Und weil Eintritt frei ist, feiert selbst Stadtroda ordentlich mit. Als wir eintreffen spielen SAPID STEEL grad ihre letzten Songs. Accept, Priest & Co. Der Kampf mit dem Puplikum ist noch sehr schwer, man ist ja schließlich zur Geburtstagsfeier hier. Die Menschen verteilen sich eher noch vor der Halle an den Bier-, Bratwurst- und Nippes-Ständen als vor der Bühne. Aber dann kommen die Gastgeber um Aufzuspielen und das Bild ändert sich schlagartig. Alles strömt rein. (Was für ein Satz.) Und die Booze Boys zeigen alles, was in den 10 Jahren aus ihnen geworden ist. Eine gereifte Band mit tightem Zusammenspiel und mit Songmaterial, das echt gut reingeht. Trotz etlicher schwieriger Besetzungswechsel eine Einheit auf der Bühne, ein Bild! Der Ur-Kern Tom (Gesang), Henning (Gitarre) und Koppi (Gitarre) mit Glatze, Spitzbärten (2 zu 1), Tätowierungen und Schottenröcken als Energiebündel im Vordergrund, die Rhythmusgruppe als Rückgrad dahinter. Der Bassist (leider weiß ich den aktuellen Namen nicht) (Duffy – das sieht man doch – Anm. der Redaktion) sieht aus wie bei den Blues-Brothers abgehauen und zeigt keinerlei Regung während des ganzen Gigs. Wie Dr.Pest bei den Apokalyptischen Reitern. Pyros, Party und ehrliche Freude bei den Fans – und das sind wirkliche Fans! Hier wird gefeiert, was eine anfangs ganz kleine Band aus dem ganz kleinen Stadtroda schaffen kann – ohne Plattenfirma im Kreuz, nur aus dem unkaputtbaren Willen heraus, die eigene Mugge zu spielen. Hut ab!
Im Hintergrund im Backstagezelt kann man Sapid Steel treffen, die das gesamte Bierdepot fast geschafft haben, so daß für uns etwas Biernot herrscht. Der Chris – Gesang bei Sapid Steel – bittet mich noch um eine Gastspielrolle bei „You Shook me All Night Long“. Dann müssen oder dürfen wir. Wir dürfen, aber wir können die Stimmung nicht einfangen. Leider ist die Halle schlagartig nur noch halbvoll mit Ende des Booze-Boys-Konzertes. Trotzdem schön für uns, weil wir alleine diese Leute nicht angezogen hätten. Der Prophetenkuchen gilt nämlich nichts im eigenen Lande. Will sagen, zu Hause kennt uns kaum einer. So ist das nun mal.
Wir machen alles wie immer. Der Frisör ist ja endlich von seiner Schweinegrippe zurück. [Hab mir das grad nochmal durchgelesen. Für jemanden, der hier mal eben so reinliest, klingt das bestimmt sehr kryptisch. Zur Erklärung: Unser Schlagzeuger ist gelernter und ehemals praktizierter Friseurmeister. Als Kurzform sagen wir daher nicht „Schlagzeuger“ – fast ein Zungenbrecher, sondern „Frisör“ – geht runter wie Öl.] Ich bin etwas nervös, weil im Publikum ein paar sehr kritische Personen äugen (Doro und der Schlagzeuger von NEMO). Wir können 0:30 Uhr anfangen, Sperrzeit ist 2:00 Uhr. Entsprechend habe ich eine Setlist gebaut, mit der wir versuchen von den ganz neuen Knallern über alte Perlen und einigen ganz selten gehörten Stücken zu den großen Krachern zu kommen und schließlich zum Grande Finale de Kikeriki. Irgendwie haut die Zeitplanung nicht hin, denn statt der geplanten 24 Songs schaffen wir nur ich glaub 18! Irgendwas stimmte da nicht – irgendwie war da heute ein Dimensionsloch oder so. Leider fallen dadurch die ganzen Kracher raus, weil die ja hintendran kommen sollten. Mist.
Aber was solls – es ist doch alles AC/DC. Für uns überraschend kommt doch eine Party zustande und mit dem verbliebenen Rest des Publikums macht das ordentlich Spaß. Zu meiner ganzen Miesmache muß ich kurz einfügen, daß es für uns in der Heimat keinerlei Auftrittsort gibt, wo uns jemand sehen wollen würde. Tröstlich ist, daß hier auch niemand irgend eine andere Band so richtig sehen will. Nagut, ich weiß nicht, ob das so tröstlich ist. Ach mensch. Hallo Gotha! Hallo Arnstadt! Hallo Hof! Hallo Erfurt! Hallo Erzgebirge! Hallo Aschersleben! Hallo Heiligenstadt! So, das war jetzt unfair gegenüber allen, die mit uns gefeiert haben. Ich wollte nicht rummosern, aber mir war wehmütig. Wir spielen ein Crayfish-Konzert im Saale-Holzland-Kreis. Es sind geschätzt noch 200 Leute übrig, die mit uns feiern (gutmütig geschätzt). Aber das reicht ja für Wohlfühlen vor der Bühne. Für uns war es letztlich eine wunderbare Feierlichkeit und hat Riesenspass gemacht. Und ich nehme eins mit – die Booze Boys haben einzigartige Fans – fanatische. („fan“atics – so hieß das mal) Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, und daß ihr recht schön gesund bleibt!