18.08.2018 Brauhaus Friedrichroda

Brauhaus Friedrichroda. Was für ein verheißungsvoller Name für einen Veranstaltungsort. Gleichermaßen friedlich wie Roda. Erwischt. Das war nicht das was ich meinte.

Das wird wohl eher so eine Nachmittags-Biergartenmugge, so wie damals immer an der Eishalle in Ilmenau. Dachten alle. 14 Uhr treffen, den ganzen Tag nicht richtig gepennt. Dann ALLES aufladen weil Selbstbeschallung mit kleiner Clubanlage. Aber gut. Jochen hat vergessen, daß er noch einen Job hat und für eine Schuleinführung kochen muss und deswegen nicht mit aufladen kann. Was kocht man eigentlich für eine Schuleinführung? Kinderfilet an Zuckertüten?

Dank der perfekten Organisation des Crayfish-Sängers landen wir eine Punktlandung um geplante 16 Uhr am Veranstaltungsort. Alles sehr sehr angenehm da. Schöne Bühne, Überdachung reicht nicht ganz über die Bühne aber das macht nichts weil das Konzept des Wassers das vom Himmel fällt im Jahr 2018 abgeschafft wurde. Gäste werden sitzen sehr idyllisch und bequem im Biergarten. Nur der Scherge des Veranstalters ist abgelenkt mit Kaffeemaschinen und Touristen die nach Abendkarten fragen. Nach kurzer Einweisung ändert der freundliche Mitarbeiter des Etablissements seine Prioritäten und bringt die Schankanlage in Gang. Wir verkosten das Pils – wie alle Biere ungefiltert, für ein Pils seeehr mild gehopft, aber das korrespondiert sehr gut mit dem auch weil ungefiltert sehr fruchtigen Geschmack. Hervorragend, aber echt! Meine zuletzt in Hausbrauereien getrunkenen ungefilterten Pilsner waren Watzke Dresden, Waldkasino Erfurt und Papiermühle Jena. Die haben Gemeinsamkeiten. Das aus Friedrichroda hat genausowenig was mit einem Pils zu tun wie die anderen (führt hier zu weit). Es ist aber dem Thüringer Wunsch nach mildgehopften, süffigen Bieren entsprechend. Das Dunkel ist gut und so wie man es sich vorstellt und wünscht. Das Weizen wiederum etwas besser als das was man sich vorstellt und wünscht. Klar? Oh ich schweife ab.

Für den Verlauf des Abends ist es jedoch wichtig, dass der Leser das Gewicht der Rahmenbedingungen kennt.

Der Veranstalter wünscht sich einen Schluss des Soundchecks bei Türöffnung. Mit Eintreffen 16 Uhr und zwei Stunden Zeit schaffen wir auch alles ganz genau. Aufbau allen Krimskrams, Einpegeln der Anlage und genaues Checken jeden einzelnen Instruments und Stimmbandes über das Tablet des F. Er zaubert einen bezaubernden Sound, auch für alle Monitorkanäle auf der Bühne. Kurz vor 18 Uhr sind wir fertig und der Vorband-DJ DJ DOG bittet um Eingliederung ins System. Wird vorgenommen. Dabei drückt der F versehentlich einen falschen virtuellen Knopf auf seinem Tablet. Und löscht ALLES. Die Einstellungen für die PA, für die einzelnen Kanäle und für den Monitormix. Alles weg. Es gibt auch keinen „Zurück“-Knopf. Und kein Backup. Wir können nur alles nochmal machen. Wir haben 18:00 Uhr. Der Biergarten füllt sich schon. Also komplett alle wieder an die Instrumente und Schnell-Check. Ich stell mich unten hin (weil kabellos) und höre und rufe hoch während die anderen spielen. In 10 Minuten machen wir den ganzen Soundcheck plus Monitorcheck ganz neu. Für Auskenner – wir haben kein FOH bei solchen Muggen, wir machen das von der Bühne aus. Gewöhnlich emuliert der F ein FOH mit seinem Tablet, aber er muss ja auch Bass spielen. Jetzt kann natürlich einer quäken – siehste, Computerscheiße, hättste hättste hättste hättste. Aber nee – ohne das müssten wir immer ne Stunde früher da sein und es würde trotzdem schlecht klingen.
Also – der Sound ist ein Hilfs-Sound. Er wäre fast perfekt gewesen, aber es hat nicht sollen sein. Nächstes mal!

Wie schon an den wiederholten Anfragen vor Türöffnung zu ahnen füllt sich der Biergarten recht flott. Dem hausgebrauten Bier wird nach Kräften zugesprochen. Wir sind für den Veranstalter ein Experiment. Bis jetzt waren immer eher so einzelne Folk- und Blues-Typen auf der Bühne, noch keine Heavy-Rockband. Hoffentlich kucken die alle auch noch so freundlich wenn gleich der Schaum von den ganzen Gläsern fliegt. Die Zeit von „Tür Auf“ (18 Uhr) bis Band fängt an (20 Uhr) wird überbrückt von DJ DOG. Der erklärt uns ganz am Anfang daß das alles garnicht seine Art von Mugge ist und daß er sich extra im Äntörnet belesen musste wassmer denn für solche Leute so für Titel spielt. Ich denk nur wehe wehe. Aber dann – wir werden am Buffet fürstlich versorgt und währenddessen klingen die DJ-Sounds in mein Ohr. Black Sabbath – Headless Cross, Europe – Rock The Night, Alice Cooper, Van Halen und so weiter. Und immer nicht der Mainstream-Kram den man erwarten würde, sondern voll die Insider-High-Quality Teile. Als ob ein krasser Auskenner-Hardrock-DJ an den Turntables steht. Und ich frag ihn nochmal. Er hat echt keinen Plan von dem Genre. Er hat sich übelst belesen. Wasne Arbeit. Bei jedem neuen Knaller renne ich hin und er bekommt einen platonischen verbalen Knutsch.

Wir müssen einen ungewohnt frühen Beginn hinlegen. Klar mitten in der Stadt – da muss auch ein ungewohnt früher Schluss her. Ist sowieso erstaunlich mit die ganze Einwohner. Wie das so geht. In Erfurt in der Heiligen Mühle sind wir in einer Art ländlicher Vorstadt und spielen in einem 4-seiten-Innenhof. Und da drehen die Nachbarn volle Kanne durch. Da geht das gar nicht. Aber is klar, da gibt’s auch kein hausgebrautes Bier zur Beruhigung.

Sobald wir beginnen passt das Publikum das Bestuhlungskonzept handgreiflich an seine Vorstellungen an. Tische, Stühle und Zierrat vor der Bühne werden flugs entfernt und so eine kleine Tanzfläche aufm Kies geschaffen – die sich bis Mitternacht nicht leert solange die Kapelle aufspielt.

Wir spielen unsere Runden und sprechen dem unglaublich leckeren Biere zu wenn wir mal nicht spielen. Also die Nicht-Fahrer. Die Fahrer nicht.

Es geht alles wunderbar insofern, daß wir uns auf der Bühne toll hören, untenraus isses nich perfekt (siehe oben), lässt sich aber nicht lösen auf die Schnelle. Und insofern daß es den Gästen sichtlich Spaß macht. Gehen echt ab die Friedrichrodaer! Dann macht es natürlich auch uns Spaß, denn das war ja auch der gedankliche Ansatz für die Veranstaltung. Die Deadline (Totenstillelinie) wird vom Veranstalter spontan noch 30 min verlängert. Ja nun. Wir sind auch extrem vergnügt und spielen einfach lauter Zeug, welches wir sowohl ewig nicht gespielt als auch noch ewiger nicht geprobt haben (an War Machine erinnere ich mich noch. Und an Stormy Mayday. Und Satellite Blues. Haben wir etwa auch Save In New York City gespielt? Ich war betüdelt.)

Ein wunderbarer Abend.

Auf der Heimfahrt sitzt Robin am Steuer (Colt). In der Mittte (Jodie) der F. Rechts außen (Howie) ich. Ich habe bereits extremen Schlafmangel aufgestaut bevor wir überhaupt nach Friedrichroda gefahren sind. Das hat zum Beispiel mit der Wiedereröffnung meines Gasthauses zu tun. Der F hat auch Schlafmangel aufgestaut und lebt das jetzt hemmungslos aus. Er ratzt voll weg zwischen uns. Zugegeben aus niederen Beweggründen (Überleben ohne Unfall) bemühe ich mich wach zu bleiben und ein Gespräch mit Robin am Laufen zu halten. Soll man so machen mit Fahrern die durch die späte Nacht steuern hab ich in der Fahrschule gelernt. Naja, ich habs nur bis in die Beifahrerschule geschafft. Im Smalltalk bin ich total scheiße, aber glücklicherweise gibt Robins Musikmaschine lauter Kram von sich zu dem ich ihn angemessen belehren kann. Dieses Küken. Dem schlafenden F gefällt das gar nicht. Erst zieht er sich dezent immer wieder den Kragen seiner Filzjacke übers rechte Ohr (durch das ich ja durchsprechen muss wenn ich auf der anderen Seite Robin erreichen will). Aber er träumt wohl schlecht über 80er-Jahre Metal-Bands, wird wach, beschwert sich etwas unsachlich, ningelt, verlangt Platzwechsel, was schwierig ist während der Fahrt, selbst bei so gertenschlanken Jünglingen. Und in diesem Moment schlägt die schicksalsschwere Erkenntnis ein wie eine Bombe. Robin am Steuer verfolgt unseren Disput und schwenkt seinen Kopf herüber nach rechts. Sein Blick fällt auf den Außenspiegel. Der sonst nicht um einen flotten Spruch verlegene Recke verstummt aprupt, das Blut gefriert ihm im Mund, der letzte Satz bleibt in der Ader stecken. Wir beide übrigen bemerken die Katastrophe nicht sofort. Doch bald folgen wir seinem erstarrten und im Entsetzen gefangenen Blick in den Außenspiegel. Und dann sehen wir es. Wir sind mitten im Jagdbergtunnel vor Jena. Und die rechte Seite des Transporters hat sich geöffnet. Sie steht offen. Die Planken ragen in die Nacht. Da hat wohl jemand nicht richtig zugemacht. Hat sich der Schreiber beim Tippen gedacht. Gestern noch fast in die Hose gemacht. Heute bissel geschmunzelgelacht. Hätte in Linkskurven noch viel lauter gekracht. Haben erstmal auf der Standspur haltgemacht. Und den Puls ins Lot gebracht. Über Alkohol und Drogen nachgedacht. Und die Planke wieder zugemacht.

Das Auto sah ersma überschlägig noch genauso voll aus wie vorher. Dachten wir. Wir konnten nicht falscher liegen.

Um 4 Uhr Nachts treffen wir endlich im Headquarter ein. Weil wir alle völlig im Arsch sind, und weil der F in der Gegend übernachtet, beschließen wir, das Abladen auf den nächsten Tag und auf den F und mich zu vertagen. Dass ich dann noch eine komplette Stunde bis um 5 brauche für Zähneputzen und einen Babykater (nicht so einen im Kopf sondern so ein kleines gestreiftes Pelzvieh) ist eine andere Geschichte. Daß um 9 (Morgens! Einstellig!) die Nacht wieder vorbei ist noch eine. Und daß mit mir am Sonntag nur so mittel was los ist die Dritte und die ist so spannend wie Marcel Proust oder der Ulysses oder das Tafelwerk (falls letzteres noch jemand kennt unter euch hoffentlich auch jugendlichen Lesern).

Während ich in der Küche stehe und 20 Portionen Meisen-Spezial-Chili für die kommende Woche und die Versorgung meiner Mitarbeiter koche ruft der F an und wir laden ab. Interessant ist bei unserem Verfassungsvergleich, daß wir beide an diesem, dem Sonntag dem 12. August 2018 bis zu unserem Zusammentreffen um 19:30 Uhr – und merkwürdig, auch im weiteren Tagesverlauf – keinerlei Verlangen nach Bier verspürt hatten. Mir selbst war das zuletzt am 15. März 1992 passiert. Es schien, als hätten wir jegliches derartiges Verlangen gründlich und für immer getilgt mit jenem Abend in Friedrichroda. (Anm.d.Verf.: Am 13 August 2018 war wieder alles ok).

Unvermeidlich bleibt, daß ein so schöner Abend auch mit herben Verlusten endet. Jemand hat mal gesagt, jede Freude muss mit der gleichen Menge Schmerz erkauft werden. Beim Abladen stellen wir fest, dass mein Funk-Mikro-Koffer fehlt (Mikro mit Empfangsanlage). Spätere Nachvollziehung ergibt, daß dieser Koffer während unserer Fahrt Richtung Jena zunächst auf den Bassboxen liegend später durch die sich öffnende Außenklappe geflogen ist und sich seitdem irgendwo zwischen Weimar und Jena verteilt. 500 EUR weg. Naja sowas passiert. Das ist sehr schmerzhaft, aber ersetzbarer materieller Schaden. Vergessen.

Ihr GLAUBT es nicht. Ich tippe das hier und lasse eine Musik-Zufallswiedergabe laufen aus – wirklich und genau! – 50.328 Songs. Und was läuft jetzt – „The Jack“ von AC/DC. Isses denn. Viele Stammbesucher wissen, daß das mein absolutes „Lieblings“-Lied ist. Was hab ich nur getan? Ist das ein Zeichen? Aber ein so Schlechtes, was mag das bedeuten? Alter Meiser hör auf so’n Unsinn zu tippen. Es ist alles so fad und schal wie „The Jack“.

Gute Nacht!