2017 haben wir zuletzt in Altenburg in der Music Hall gespielt. Damals gab es ein mittelgroßes Missverständnis.
Während unseres Konzertes, wir in den letzten Zügen liegend, kam Veranstalter Henry an den linken Bühnenaufgang, suchte Blickkontakt zu einem der Musiker und gab ihm zu verstehen, daß nur noch drei Lieder gespielt werden dürften.
Zum Unglück seiner selbst, unserer selbst und der übrigen Welt erwischte er dabei ausgerechnet Jochen. Der naturgemäß dort steht. Wer nun Jochen kennt wird ahnen daß diese Anweisung in einem Schulterzucken versandete. Tatsächlich erreichte die Information niemals Personen mit Exekutivgewalt – also mich. And the band played on…
Wir spielten nicht nur drei Songs, sondern das Set zuende. Was anschließend genau geschah weiß ich nicht mehr. Eventuell Überschreitung der Sperrzeitverkürzung (das ist immer ein Genom das ich liebe – lasst es euch auf der Zunge zergehen), großer Ärger mit den Anwohnern oder Zerstreitung mit der nachfolgenden Band.
Jedenfalls war Henry RICHTIG sauer auf uns. Und das nur wegen falschen Ansatzes an der Kommunikationskette. Bei direkt anschließender späterer Aufarbeitung des Vorfalles erklärte Jochen er hätte den Mann nicht gekannt und da könne ja jeder zur Bühne kommen und ihm zurufen wir müssen aufhören.
Hier nochmal nachträglich und ausdrücklich eine Entschuldigung an Henry für damals!
Das war vor sieben Jahren. Heute konnte sich Jochen gar nicht mehr an den Vorfall erinnern. Immerhin hatte der uns sieben Jahre Spielverbot in der Music Hall eingebracht.
Aber heute sind wir wieder da! Anreise in zwei Teams wie immer, einmal Schönemobil, einmal Volvo. Parken ist schwierig vorm Objekt. Einbahnstraße, der Innenhof voller tschechischer Bands, reguläre Parkplätze in der Nähe alle belegt. Gegenüber ist eine Fläche wo zwei Autos hinpassen. Aber wie immer haben die Schönes Kunstparken gemacht und sich genau in die Mitte derselben gestellt. Ich pass also mit dem Volvo nicht hin, nicht links nicht rechts. Bleibt noch eine Einfahrt eines verlassen aussehenden Hauses. Robin meint – „Na stell dich doch hier mitten hin! So landvogtmäßig.“ Mach ich dann auch. Wie der Landvogt.
Beim Ankommen treffen wir auf Veranstalter Henry der mich fragt ob ich Bier mitgebracht hätte. Wieso? Na weil 4 von 7 Fässern schon leer sind. Und es spielt gerade erst die erste Band. Hättste mal früher was gesagt, mein ich. Ich hab den Schlüssel vom Lager. Ja, der Saal ist tatsächlich richtig gut voll, die Luft schweißnass. Ich hätte nicht gedacht daß ein solches Package aus Coverbands derart viele Leute zieht.
Das Programm besteht aus zwei tschechischen Bands, mit denen beiden wir schon öfter die Bühnen geteilt haben. Einmal Motörhead Tribute, einmal Metallica Tribute. Wir sind dann die dritte Band des Abends.
Es gibt Lärmschutzprobleme – während des Spielbetriebes können keine Seitentüren geöffnet werden – und Platzprobleme – innen gibt es einen nur 2 qm großen Vorbereitungsbereich neben der Bühne. Daneben ist direkt die Außentür zwischen Bühne und Innenhof. Schwierig für Aufbau und Vorbereitung.
Wir basteln im Innenhof schonmal Robins Schlagzeug zusammen. Zum Glück regnet es nicht. Letztendlich lässt sich über den kleinen Hof als Vorbereitungsfläche der Changeover jeweils recht gut abwickeln.
Die beiden tschechischen Bands die vor uns spielen können nur Tschechisch und rudimentäres Schulenglisch. Das macht die Verständigung nicht einfach. In der Hektik der Umbaupausen sagt einer der Techniker zu uns:
„Could we do it like… or do you speak a little bit German?“
Der F und ich antworten gleichzeitig.
Der F: „Naja n bissel…“
Ich: „Mir könns ja versuchn…“
Der Techniker „Och MAAAANNN!“
Geht dann auch ganz gut alles mit der Technik. Unten im Backstagebereich gibt es Käse- und Salamisemmeln, warmes Chili, Salat, Obst, Getränke. Absolut super. Die Kommunikation mit den gegnerischen Bandkollegen ist wegen der Sprachbarriere wirklich nicht ganz einfach. Auch Englisch geht so gut wie nicht. Die armen Techniker, die hier was absprechen müssen mit Händen und mit Füßen.
Die Schönes und Robin hängen ein bißchen im Backstage ab. Der F und ich hören sich oben die beiden Bands an, die vor uns spielen. Musikalisch sind beide top. Die Gitarristen durchweg erste Sahne. Wir kucken uns an und meinen – und danach kommen nun wir mit Steffens Handycap und unserem Gerumpel…
Zurück im Backstagesaal (es ist schon ein recht großzügiger Raum). Wir versuchen uns die genauen Ablaufzeiten einzuprägen die an der Tür hängen, um nicht wieder einen Fehler zu machen. 0:30 Uhr soll Schluss sein. Wir überlegen ob wir vielleicht doch ein paar Minuten überziehen und bißchen Zugabe machen können. Jochen sagt – wenn ihr überziehen wollt überlegt IHR euch das – ICH bin definitiv raus aus der Nummer! Er hat gelernt.
Jochen nimmt sich eine Flasche Wasser und ein Bier. Der F und ich kucken sich mit offenstehendem Mund an. Was ist denn mit dem los? Ich rufe Jochen hinterher daß er das doch gar nicht mehr gewöhnt ist (wir meinen das Bier) und gar nicht mehr verträgt! Der klatscht doch sofort um, meint Robin.
Aber dem F kommt die Erleuchtung. Da ist doch garantiert wieder eine Frau im Spiel und oben im Gastraum. Jochen hält Frauen immer mit Bandgetränken frei. Steffen wärmt wieder die alte Geschichte aus dem „Kunterbunt“ in Gerstungen auf. Ich weiß gar nicht obs dazu ein Tagebuch gibt. Als Jochen den ganzen Abend lang auf Bandkosten eine Frau mit Whisky versorgt hat, der Wirt bei der Abrechnung sagte Whisky gibt’s nicht gratis, alles abzog und kaum Gage übrigblieb, und die Frau lesbisch war. Also der Whisky auch noch umsonst. Nein falsches Wort. Nutzlos.
„Metallica Revival Beroun“ spielen die letzten Songs. Die Zugaben sind Nothing Else Matters und Master Of Puppets. Es kann dazwischen noch eins gewesen sein was ich vergessen habe – Zugeständnis an die Krümelkacker. Aber auf alle Fälle haben wir hier eins für die Next-Generation-Pop-Metallica-Fans und eins für die So-Wies-Eigentlich-Sein-Soll-Und-Überragend-Wars-Nur-Mit-Cliff-Burton-Metallica-Fans. Ich B.
Die Lichtanlage ist etwas bemerkenswert. Da hängen wenn ich das richtig gesehen habe noch etliche echte alte PAR64 Scheinwerfer dran, für die man eine extre Starkstromleitung braucht. Und zwei so Stroboskope. Wo man eigentlich am Einlass oder auf den Tickets drauf hinweisen muss, weil die für Epileptiker gefährlich sind. Die laufen bei Metallica recht oft. Die haben ihren eigenen Lichtmann mit und der weiß wo das passt. Sieht schon durchaus gut aus.
Für den Changeover sind 30 min eingeplant. Die Metallicalisten brauchen aber leider allein schon 30 min um die Bühne zu räumen – weil die ALLES selber mithaben. Komplettes Drumset, jede Box, jeden Mikroständer, sogar jedes Kabel und jedes Mikro. Also keine Technikteilung sonder Leerfegen der Bühne. Erst danach können wir schnell aufbauen, kurzer Linecheck, und los. Also hier große Entschuldigung an alle für die lange Umbaupause!
Bei diesem Linecheck-Verfahren klingen die ersten drei Lieder naturgemäß noch komisch, weil so lange die Technik braucht um den Sound zu finden. Dann geht’s aber.
Das Publikum ist zumindest dageblieben. Der Saal ist wirklich voll. Die Leute sind anfangs aus meiner Sicht zäh. Sind wir hier willkommen?
Blöde teure Musikerohrstöpsel. Verliert man immer. Einmal Haare geschüttelt schon wieder einer rausgeflutscht. Zum Glück wiedergefunden weil draufgetreten. Wieder reingesteckt. War etwas Sediment dran.
Wir ackern. Und es gibt dann doch zunehmend starke Reaktionen. Also nicht fliegende Eier sondern Applaus und Jubel – tatsächlich. Unsere Darbietung steht technisch sehr weit hinter der unserer beiden Vorbands. Einfach schon allein wegen Steffens Parkinson-Erkrankung. Aber offenbar schaffen wir es noch, trotzdem Rock’n’Roll und Spaß zu vermitteln.
Die beiden Bands vor uns hatten beide ihre kompletten Sets aufgebaut, inklusive zwei Schlagzeuge nebeneinander. Mit den Zwischenumbauten mussten wir uns in diese Anordnung einfügen. Das Ganze ist nun etwas unsymmetrisch weil Robin mit seiner Kiste auf der linken Hälfte der Bühne steht während es rechts daneben gähnt.
Wo das zweite Schlagzeug stand ist jetzt sehr viel Platz und ich kann mich da immer mal hinstellen als optisches Gegengewicht zu Robin. Hinten in der Ecke hab ich auch meine Bierflasche versteckt. Bei Gitarrensoli renne ich schnell mal hinter und nehme einen Schluck. Da macht doch der Lichttechniker gerade in diesem Moment wieder das Stroboskop an was schon bei Metallica lief. Wer jetzt nicht weiß was ein Stroboskop ist – das macht einen weißen flackernden alles erhellenden und vergleißenden Blitz.
Jedenfalls geh ich zu meiner kleinen freundlichen Bierflasche und möchte einen Schluck kosten, da geht dieses Ding genau über mir los. Ich hab echt erstmal gedacht wieso fotografieren mich die Leute ausgerechnet beim Biertrinken? Aber dann merke ich was los ist. Sind gar nicht lauter Reporter die mich fotografieren.
Am Schluss gehen die Leute wirklich gut ab. Wir handelten vorher mit dem Veranstalter noch 15 min mehr Spielzeit raus und beenden 0:50. Dann müssen wir aber wirklich aufhören wegen der Sperrzeit. Das Publikum ruft tatsächlich noch lange, laut und wirklich ehrlich gemeint nach Zugaben. Sowas. Ja – dürfen wir leider nicht.
Durchatmen im Backstagebereich. Die Metallica-Musiker hängen da ab, und die können tatsächlich etwas Englisch, so daß man sich unterhalten kann.
Der Drummer der Metallica-Band sieht des Fs T-Shirt, auf dem unter dem Crayfish Schriftzug steht „Since 2001“. Er fragt – „Wow – do you really do this for such a long time? How OLD are you?“
Ich sag ihm noch – „Yes. And that’s not the FIRST band we’ve been playing in.“ Und ich sag ihm zumindest wie alt ICH bin, da ist er zufrieden.
Ich dachte eher er sagt dann „So then – why are you still playing that bad?“ Oder so.
Als ich nach Hause komme, die Treppe hoch rumpele – jetzt beim Schreiben fällt mir ein: Hab ich hier eigentlich schon mal meinen Lieblingstreppenwitz erzählt den immer keiner versteht?
>> Das ist mein voller Ernst. Sagte Frau Thälmann, als es draußen auf der Treppe rumpelte. <<
Also als ich nach Hause komme bleibt es nicht aus dass ich mit meinem Gerumpel Doro wecke. Und wie ich wach im Bett liege und versuche das Restadrenalin abzubauen fällt mir doch tatsächlich noch mit völlig klarem Kopf trotz Bühnenbier ein, daß ich eine Erinnerung brauche um am Sonntag eine Rechnung an Henry zu schreiben. Ich erwähne das weil ich am Sonntag nicht das Geringste mehr davon weiß, Doro mich aber erinnert und ich wirklich die Rechnung schreibe. Es fühlt sich an wie in so einem Science Fiction Film mit verschobenen Realitäten.
Während ich über mich selber staune steht unten im Hof der voll beladene Volvo, wird gleich so gelassen und freut sich auf nächste Woche Erfurt.